Monarchin ohne Stimmrecht

Die Königin hat das Sagen im Bienenstock. Oder sind es ihre Arbeiterinnen?

Sie verlässt kaum den Bienenstock, ist deutlich grösser als die Arbeiterinnen und wird um ein Vielfaches älter: Die Königin. Als einziges geschlechtsreifes Weibchen legt sie Eier und sichert somit das Überleben des Volkes. Zu Spitzenzeiten sind das bis zu 1500 Eier pro Tag!

Abenteuerlicher Hochzeitsflug

Damit das möglich ist, muss die Königin zuerst auf ihren Hochzeitsflug. Dabei trifft sie in luftiger Höhe, zwei bis fünf Kilometer von ihrem Stock entfernt auf einem Schwarm geschlechtsreifer Drohnen, die alle auf Jungköniginnen aus der Umgebung warten. Wie genau diese sogenannten Drohnensammelplätze entstehen und wie Jungköniginnen und Drohnen instinktiv wissen, wohin sie fliegen müssen, bleibt ihr Geheimnis. Fakt ist jedoch, dass sich an diesen Orten bis zu 20’000 Drohnen versammeln und sich eine Jungkönigin mit 10 bis 20 Drohnen paart – und das in luftiger Höhe von bis zu 40 Metern! Für den Drohn nimmt dieser Akt ein tragisches Ende: Er fällt zu Boden und stirbt. Seine einzige Aufgabe – paarungswillige Jungköniginnen zu begatten – hat er erfüllt.

Nach dem Hochzeitsflug ist der Hinterleib der Königin prall gefüllt – sie besitzt nun einen Vorrat von rund fünf Millionen Spermien, was für den Rest ihres drei- bis fünfjährigen Lebens reicht.

Mit dem Duft regieren

Nach dem Ausflug beginnt für die Königin ein relativ eintöniger Alltag, der hauptsächlich aus dem Legen von Eiern besteht. Sie sorgt nun dafür, dass ihr Volk im Sommer aus rund 30’000 Arbeiterinnen und ungefähr 1000 bis 2000 Drohnen besteht. Sie ist somit die Mutter aller Bienen im Volk, weshalb sie im Imkerjargon oft auch als «Stockmutter» bezeichnet wird. Doch die majestätische Bezeichnung «Königin» ist durchaus treffend: Mit ihrem Duft, den sogenannten Pheromonen, übt sie Macht auf ihr Volk aus. Ihre Pheromone halten das Volk zusammen und sorgen dafür, dass die Abläufe im Bienenvolk so funktionieren, wie sie sollten. Diese «Königinnensubstanz» wird durch ihren Hofstaat aufgenommen und durch den eifrigen Putztrieb der Bienen im ganzen Stock verteilt. Die Anwesenheit der Königin bemerkt ein Imker in der Regel sofort. Einerseits erkennt er die Eier und Brut, was ihm signalisiert, dass eine legende Königin da ist. Andererseits verhält sich ein «weiselrichtiges» Volk, also ein Volk mit Königin, auch ruhig und braust beim öffnen des Kastens nur kurz auf. Fehlt die Königin jedoch, ist das sofort durch ein lautes und anhaltendes Aufbrausen der Arbeiterinnen hörbar.

Eine Königin hat – wie es sich gehört – einen Hofstaat. Dieser besteht aus mehreren Arbeiterinnen, die die Königin pflegen, mit Gelée Royale füttern und ihren Kot beseitigen.

Die Arbeiterinnen haben das letzte Wort

Ist das Bienenvolk nun also eine Monarchie mit einer absoluten Herrscherin? Nicht ganz! Bei vielen Entscheidungen bleibt die Königin aussen vor. Wenn die Königin alterschwach wird, nicht mehr ausreichend Eier legt oder verletzt ist, zieht das Volk eine neue Nachfolgerin heran und tötet die alte Königin. Aus jeder jungen Arbeiterinnenlarve könnte theoretisch eine Königin entstehen, wenn sie mit Gelée Royale gefüttert wird. Welche Larve letztlich zur neuen Königin heranwächst, entscheiden die Arbeiterinnen.

Auch wenn ein Bienenvolk schwärmt und sich teilt, haben die Arbeiterinnen das letzte Wort. Beim Schwärmen verlassen Zehntausende Bienen gemeinsam mit ihrer alten Königin den Stock und überlassen ihr Heim einer jungen Königin, die gemeinsam mit den restlichen Bienen ein neues Volk aufbaut. Nach dem Ausschwärmen suchen spezialisierte Arbeiterinnen nach einer neuen Behausung. Diese Kundschafterinnen debattieren miteinander und entscheiden quasi demokratisch, welche Wohnung nun am geeignetsten ist. Ist der Entscheid gefallen, zieht der Schwarm samt Königin in das neue Zuhause. Die Königin hat auf den Entscheid keinerlei Einfluss.

Zieht ein Schwarm aus, versammelt er sich in der Regel zuerst an einem Ast. Danach debattieren die Kundschafterinnen: Welche Behausung ist am besten? Diese Entscheidung wird ohne Königin gefällt.

Text und Bilder: Sarah Grossenbacher