Nur Glockenblumen, bitte!

Die Spezialisierung auf bestimmte Pflanzen macht viele Bienenarten empfindlich gegenüber Umweltveränderungen. Der Schutz ihrer Lebensräume und der Erhalt ihrer bevorzugten Pflanzen sind daher von zentraler Bedeutung.

Bienen besuchen Blüten nicht nur, um ihren eigenen Energiebedarf zu decken, sondern sie sammeln zusätzlich grosse Mengen an Pollen und Nektar, um ihre Larven zu ernähren. Dabei zeigt jede Bienenart individuelle Vorlieben für bestimmte Pflanzen: einige sind weniger wählerisch, andere hochspezialisiert. Oftmals erkennt man die Spezialisierung bereits im Namen: So sammelt die Glockenblumen-Scherenbienen ausschliesslich Pollen der Glockenblumen und die Natternkopf-Mauerbienen besuchen für ihren Pollenvorrat ausschliesslich den Natternkopf. Selbst Arten, die als Generalisten gelten, haben klare Vorlieben: Die Gehörnte Mauerbiene sammelt Pollen von über 15 Pflanzenfamilien, bevorzugt jedoch verholzte Rosengewächse.

Häufig bedroht

Rund ein Drittel der Wildbienenarten zeigt eine oligolektische Lebensweise, also eine Spezialisierung auf eine einzige Pflanzengattung oder -familie. Auffallend ist, dass oligolektische Arten häufiger bedroht sind: 56,5 % dieser Arten stehen auf der Roten Liste, während es bei den polylektischen Arten, die auf mehreren Pflanzenfamilien Pollen sammeln, nur 37,5 % sind.

Besonders gefährdet sind Bienen, die auf Kreuzblütler, Distelgewächse oder Kardengewächse spezialisiert sind. Hier sind 90 %, 100 % bzw. 80,3 % dieser Arten auf der Roten Liste vertreten. Von den Bienen mit Spezialisierung auf Glockenblumen oder Weiden sind rund ein Drittel gefährdet, bei den auf Weiden spezialisierten rund 40%.

Diese Unterschiede zeigen, wie entscheidend bestimmte Lebensräume und Pflanzengruppen für das Überleben der Bienen sind. Ruderalstandorte, auf denen viele Vertreter der Kreuzblütler und Kardengewächse vorkommen, spielen eine besonders wichtige Rolle. Sie bieten für viele spezialisierte Bienenarten die notwendigen Ressourcen, um zu überleben.

Ruderalflächen für Bienen

Auf den ersten Blick erscheint eine Ruderalfläche karg und steinig. Doch bei genauem Hinschauen entpuppt sie sich als ein blütenreicher, sehr ästhetischer und vielseitiger Lebensraum für verschiedene Tiere. Im Sommer blühen dort beispielsweise stolze Königskerzen, die für Wildbienen nicht nur eine Futterquelle sind, sondern ihnen auch eine Nistgelegenheit bieten. Verschiedene Malven, die Wilde Möhre, die Wegwarte, der Natternkopf oder der Echte Honigklee und Klatschmohn bieten Wild- und Honigbienen, aber auch anderen Insekten, ein vielfältiges Nahrungsbuffet. Bodennistende Wildbienen nutzen die offenen, sandigen Flächen zwischen den Blütenpflanzen. Auch der Distelfink fühlt sich hier sichtlich wohl und ernährt sich von den Samen der Wilden Karde oder Disteln.

Disteln sind bei Wildbienen sehr beliebt. Nach der Blüte ernähren die Samen verschiedene Vogelwarten wie der Distelfink.
Eine bunt blühende Ruderalfläche hilft vielen bedrohten Bienenarten.

Der Standort einer Ruderalfläche sollte sonnig und der Boden möglichst nährstoffarm sein. Dazu lohnt es sich, die oberste Humusschicht abzutragen und mit einer 30 cm dicken Schicht Wandkies aufzufüllen. Dieser kann in Steingruben bezogen werden. Gewaschener Sand aus dem Baumarkt ist dafür ungeeignet. Für die Aussaat eignen sich einheimische, trockenliebende Pflanzen aus der Region. Diese können Sie zum Beispiel über das Webportal von floretia.ch ausfindig machen, indem Sie dort Ihre Postleitzahl sowie die Verwendung «Magerbeet, Ruderalfläche» wählen. Einzelne Wildstauden zum direkten Einpflanzen oder geeignete Saatgutmischungen finden Sie beispielsweise in einer lokalen Wildpflanzengärtnerei. Auch UFA-Samen bieten vielfältige Mischungen für Ruderalstandorte an unter: www.ufasamen.ch > Wildblumen > Gartenbau > Pioniermischungen.

Der weitere Pflegeaufwand einer solchen Fläche ist gering. In der Natur werden Ruderalflächen zuerst von sonnenliebenden, kurzlebigen Pionierpflanzen besiedelt und dann über die Jahre mit zunehmender Humusschicht, von langlebigeren Pflanzen abgelöst. Möchten Sie den artenreichen Anfangszustand aber erhalten, ist es wichtig, dass sie einzelne, starkwüchsige Pflanzen ausjäten und immer wieder offenen Boden und Dynamik schaffen. Markhaltige Stängel von Königskerzen oder der Wilden Karde sollten nach Möglichkeit aber stehengelassen werden, da Sie wertvolle Nistgelegenheiten für Wildbienen bieten. Wenn die Ruderalfläche für ein paar Jahre sich selbst überlassen wird und es durch fehlende gelegentliche Pflege keine Störungen gibt, verändert sich die Vegetation stark und die typischen Ruderalpflanzenarten verschwinden langsam. Sie sind nämlich pionierhafte Besiedler karger Standorte. Die Bewirtschaftung kann auch umgestellt und die alte Ruderalfläche zum Beispiel in eine magerwiesen- oder saumartige Struktur umgewandelt und entsprechend gepflegt werden. Ob in jungem oder älterem Stadium gilt wie immer: Entfernen Sie Neophyten wie das Einjährige Berufkraut und entsorgen Sie diese fachgerecht

Glockenblumen für den Garten und Balkon

Nicht jeder Garten bietet Platz für eine Ruderalfläche. Aber ein Plätzchen für Glockenblumen für unsere Spezialistinnen findet sich sicher. In der Schweiz gibt es rund 30 einheimische Glockenblumen. Sechs Wildbienenarten sind auf sie spezialisiert. Wie wäre es zum Beispiel mit der Pfirsichblättrigen Glockenblume, der Nesselblättrige Glockenblume und der Rundblättrigen Glockenblume? Die Nesselblättrige Glockenblume wird auch als Wanderer bezeichnet. Sie säht sich aus und taucht immer wieder an neuen Standorten auf. Der Rundblättrige Glockenblume fühlt sich auch auf dem Balkon wohl: Sie benötigt dafür einem 40 cm Topf gefüllt mit Kübelpflanzenerde.

Am besten kombinieren sie die Glockenblumn mit Storchenschnäbel wie der Blutrote Storchschnabel oder der Knotige Storchenschnabel, der sogar im tiefsten Schatten wächst. Während die Glockenblumen-Scherenbiene an der Glockenblume Pollen für ihre Larven sammelt, ernährt sie sich auch vom süssen Nektar des Storchenschnabels. Somit sind diese zwei Pflanzen in ihren Violett- und Pink-Tönen nicht nur optisch ein Hingucker, sondern auch für die Wildbiene die perfekte Kombination. 

Text & Bild: Sarah Grossenbacher